Berlin (dpa) – Angesichts der Kritik von fünf sozialdemokratischen Wissenschaftlern an der Ukraine-Politik der SPD sieht SPD-Verteidigungspolitiker Andreas Schwarz keinen Riss in seiner Partei. «Das muss auch eine Demokratie, das muss auch eine Partei aushalten, dass es unterschiedliche Meinungen zu einer wirklich sehr komplexen Frage gibt», sagte er am Donnerstag im Deutschlandfunk.
Die fünf sozialdemokratischen Wissenschaftler um den Historiker Heinrich August Winkler haben jüngst die Parteiführung und Kanzler Olaf Scholz wegen ihrer Ukraine-Politik in einem Brandbrief kritisiert, über den zuerst das Magazin «Focus» berichtete. Sie riefen darin den Parteivorstand dazu auf, eine Positionsklärung unter anderem bei Fragen von Waffenlieferungen an Kiew vorzunehmen und eindeutig in der Öffentlichkeit aufzutreten.
Scholz war zuletzt mit seinem Nein zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine bei den Koalitionspartnern Grüne und FDP angeeckt. SPD-Fraktionschefs Rolf Mützenich sorgte kurze Zeit später mit seiner Idee für Aufsehen, man könnte den Krieg in der Ukraine einfrieren, um Verhandlungen zu ermöglichen. Davon hatte sich auch der SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius klar distanziert.
Schwarz kann die Kritik der Wissenschaftler zum Teil nachvollziehen. «Ich glaube, wir sind da vielleicht an der einen oder anderen Stelle noch zu gutgläubig, weil wir einfach seit 89 von der Friedensdividende verwöhnt sind», sagte er. «Natürlich muss man auch als Deutschland in so eine neue Führungsrolle reinwachsen.» Man habe 2022 in der SPD einen Paradigmenwechsel etwa beim Thema Waffenlieferungen in Kriegsgebiete vollzogen, der sicherlich noch nachwirke. Manche in der Partei schafften das schneller und andere brauchten ein bisschen mehr Zeit, sich mit den neuen Gegebenheiten in der Welt anzufreunden.
Uneinigkeit innerhalb der Partei könne von Russlands Präsident Wladimir Putin «nur als Ermunterung» verstanden werden, hieß es in dem Brandbrief der Wissenschaftler. Verteidigungspolitiker Schwarz teilt diese Auffassung: «Was Putin versteht, ist Stärke und Härte», sagte er im Deutschlandfunk. «Er will das Recht der Stärkeren, während wir auf die Stärke des Rechts setzen.» Gegenüber Russland müsse man – auch im Zusammenspiel mit europäischen Partnern – immer wieder zeigen, «wir sind uns da einig und wir haben da auch eine geschlossene Kommunikation.»
Als «besonders fatal» kritisierten die Wissenschaftler die Äußerungen des Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich zum «Einfrieren» des Krieges, da dieses ihnen zufolge faktisch eine Beendigung des Konflikts zugunsten des Angreifers bedeuten würde. Schwarz ordnete die Äußerung von Mützenich als Ruf nach mehr Diplomatie ein: «Ihm geht es einfach darum, dass in der momentanen Diskussion aus seiner Sicht zu viel Militär und wenig Diplomatie eine Rolle spielt», sagte er. Der Fraktionschef habe aber gesagt, dass er im Moment kein Zeitfenster dafür sieht.
Die Wissenschaftler kritisierten in dem Brief auch, dass innerhalb der SPD eine «ehrliche Aufarbeitung der Fehler in der Russlandpolitik der letzten Jahrzehnte» fehle. Weder die Verstrickungen eigener Mitglieder mit Interessenvertretern Russlands noch «die fehlgeleitete Energiepolitik, die Deutschland in eine fatale Abhängigkeit von Moskau geführt» haben, seien bisher ernsthaft problematisiert worden.
Nicht zuletzt sei der Umgang der SPD mit Sicherheitspolitikexperten sowie mit Wissenschaftlern mit Schwerpunkt Osteuropa oder Völkerrecht problematisch. Der Bundeskanzler und viele SPD-Spitzenpolitiker ignorierten deren wertvolle Wissensressourcen, statt diese für ihre Entscheidungsfindung zu nutzen, es gebe abwertende Äußerungen zu Expertinnen und Experten. «Die SPD macht sich so unglaubwürdig und bereitet einer gefährlichen Desinformationskultur den Boden.»