Los Angeles (dpa) – Die deutsche Schauspielerin Sandra Hüller hat den Oscar als beste Hauptdarstellerin zwar verpasst, spielt aber im besten internationalen Film des Jahres – «The Zone of Interest» – die weibliche Hauptrolle. Großer Gewinner bei den 96. Oscars wurde mit sieben Auszeichnungen das historische Epos «Oppenheimer». Für Aufsehen sorgten ein Nacktauftritt, Ryan Goslings «I’m Just Ken»-Lied-Performance, Al Pacinos holprige Verkündung des besten Films sowie politische Äußerungen zu Gaza- und Ukraine-Krieg.
Der deutschsprachige britische Film «The Zone of Interest» mit Hüller als Frau des Auschwitz-Kommandanten Höß (gespielt vom deutschen Schauspielkollegen Christian Friedel) gewann in der Sparte für den besten ausländischen Film.
Regisseur Jonathan Glazer ging in seiner Dankesrede auf den Gaza-Krieg ein. «Ob es die Opfer des 7. Oktober in Israel oder der andauernden Attacke auf Gaza sind», alle seien Opfer von Entmenschlichung, betonte der Filmemacher. Die ebenfalls in der International-Sparte nominierten Filme der beiden deutschen Regisseure Ilker Çatak («Das Lehrerzimmer», Deutschland) und Wim Wenders («Perfect Days», Japan) gingen leer aus.
Die aus Thüringen stammende und in Leipzig wohnende Sandra Hüller (45) war auch als beste Hauptdarstellerin nominiert, was seit mehr als 80 Jahren keiner Deutschen mehr gelungen war. Im französischen Justizdrama «Anatomie eines Falls» spielt sie eindrucksvoll und vielsprachig eine Schriftstellerin, die sich vor Gericht wegen Mordverdachts an ihrem Ehemann verantworten muss.
Die Auszeichnung ging allerdings an Emma Stone für ihre Leistung in der grotesken Komödie «Poor Things». Es ist Stones zweiter Oscar nach 2017, damals für «La La Land». «Poor Things» von Giorgos Lanthimos holte insgesamt vier Auszeichnungen, etwa für Kostüm- und Maskenbild. Die Auszeichnung für die beste Nebendarstellerin erhielt Da’Vine Joy Randolph für ihre Rolle im Drama «The Holdovers».
Der Historienfilm «Oppenheimer» über den Physiker J. Robert Oppenheimer, der zur Atombombe forschte, holte unter anderem die Auszeichnung als Bester Film, den Regiepreis für Christopher Nolan sowie zwei Schauspielpreise: Cillian Murphy wurde als bester Hauptdarsteller, Robert Downey Jr. als bester Nebendarsteller geehrt. Sieben Oscars (bei 13 Nominierungen) sind so viele wie letztes Jahr «Everything Everywhere All at Once» gewann.
Während der Verleihung wurde mehrfach an aktuelle politische Krisen erinnert. Als bester Dokumentarfilm wurde die Produktion «20 Tage in Mariupol» ausgezeichnet, die die Erlebnisse von AP-Journalisten in der ukrainischen Hafenstadt unter russischer Belagerung zeigt und die derzeit in der ARD-Mediathek abrufbar ist.
Moderator Jimmy Kimmel führte durch die knapp dreieinhalbstündige Show, die zügiger inszeniert war als in früheren Jahren. Höhepunkt war für viele der Auftritt von Schauspieler Ryan Gosling, der mit Dutzenden tanzenden Männern das Lied «I’m Just Ken» aus dem Film «Barbie» sang. Plötzlich war auch Guns-N’-Roses-Gitarrist Slash auf der Bühne. Den Preis für den besten Song gewann aber ein anderes Lied aus dem «Barbie»-Film, nämlich «What Was I Made For?», was den zweiten Oscar für die erst 22-jährige Billie Eilish bedeutete.
Kimmel machte etliche Scherze. So gab es mit seiner Anmoderation einen inszenierten Flitzer-Zwischenfall. Beim Preis fürs beste Kostümdesign trat Wrestling-Star John Cena nackt auf. «Kostüme sind sehr wichtig», sagte der 46-Jährige trocken, als er sich den großen Umschlag vor den Schritt hielt und ansonsten nur Schlappen trug. Der Hingucker-Auftritt erinnerte an einen Skandal vor 50 Jahren. 1974 rannte während einer Moderation von David Niven ein Flitzer über die Oscar-Bühne.
Über Sandra Hüller sagte Kimmel am Anfang der Gala, sie spiele in «Anatomie eines Falls» eine Frau, die wegen Mordes an ihrem Ehemann vor Gericht stehe, und in «The Zone of Interest» eine Nazi-Hausfrau, die in der Nähe von Auschwitz lebe. «Während dies für amerikanische Kinobesucher sehr schwere Themen sind, nennt man sie in Sandras Heimat Deutschland Rom-Coms.»