Leverkusen (dpa) – Vor dem womöglich größten Wochenende der Vereinsgeschichte schob Xabi Alonso eine Warnung seines Anführers Granit Xhaka lässig beiseite. «Wir sind sehr stabil im Kopf», sagte der Trainer von Bayer Leverkusen. Übermotiviert werde sein Team ganz bestimmt nicht auftreten. «Die Vorfreude ist super. Es kann nicht größer sein. Wenn wir gewinnen, sind wir Meister», sagte der Ausnahmecoach und brachte die Ausgangslage vor dem Spiel gegen Werder Bremen auf den Punkt. Die Partie soll für Bayer 04 zur großen Titelparty werden. Leverkusen ist bereit, sein Vizekusen-Image endgültig abzulegen und Dauer-Meister FC Bayern abzulösen.
«Wir wissen, dass wir am Sonntag Geschichte schreiben können – für den Fußballverein, für die Fans und für uns selber auch», hatte Xhaka zuvor gesagt und ergänzt: «Wir dürfen nicht übermotiviert auftreten.» Die Bedeutung der ersten Bayer-Meisterschaft ist dem Mittelfeldstrategen und seinen Teamkollegen bewusst. Sie geht weit über Leverkusen hinaus. Kinder, die nach 2012 geboren sind, haben keinen anderen deutschen Meister als die Bayern erlebt.
Als die Münchner zuletzt nicht mit der Schale feierten, hieß der Papst noch Benedikt XVI. Michael Schumacher fuhr seine letzte Formel-1-Saison. Lionel Messi spielte für den FC Barcelona, Cristiano Ronaldo für Real Madrid und Kylian Mbappé noch für die Jugend von INF Clairefontaine. Dass Bayer 04 die Meisterserie der Bayern beendet, ist angesichts von 16 Punkten Vorsprung nach dem 28. Spieltag klar. Die Frage ist nur noch: Wann steht der Titel fest?
Bloß nicht auf dem Sofa Meister werden
Jonas Hofmann hat diesbezüglich einen klaren Wunsch. «Ich hoffe, wir können es selber entscheiden», sagte der Offensivmann. «Gerade, wenn man zum ersten Mal deutscher Meister werden kann, willst du das nicht irgendwie zu Hause auf der Couch mit einem Glas Wasser am Tag bevor du selber spielst.» Der 31-Jährige wird daher am Samstag sogar zum Fan der Konkurrenz, drückt dem FC Bayern gegen den 1. FC Köln und dem VfB Stuttgart gegen Eintracht Frankfurt die Daumen.
Denn: Sollten beide verlieren, stünde Leverkusen bereits vor dem eigenen Spiel am Sonntag als Champions fest. «Da kannst du auch gar nicht die Emotionen rauslassen, wenn du nicht zusammen mit dieser Gruppe bist, mit der du das geschafft hast», sagte Hofmann zum möglichen Sofa-Titel. Alonso sieht das ähnlich. «Ich würde es lieber auf dem Platz entscheiden mit unserem Sieg», sagte er am Freitag. Ein Mannschaftstreffen im Teamhotel, um gemeinsam die Spiele der Verfolger im Fernsehen zu schauen, sei nicht geplant. «Nein, nein, nein. Wir müssen uns erholen», sagte Alonso dazu.
Sein Offensivmann Hofmann war am Donnerstagabend beim 2:0 von Bayer 04 im Viertelfinalhinspiel der Europa League gegen West Ham United als Joker mit einem Tor und einer Vorlage der Matchwinner. Auch nach dem 42. Pflichtspiel der Saison bleibt Leverkusen ungeschlagen. Der Traum vom Triple aus Meisterschaft, Europacup und DFB-Pokal lebt weiter. Nach der Partie gaben die euphorischen Fans Hofmann und seinen Teamkollegen schon einmal einen Vorgeschmack auf das, was sie bald erwarten könnte. «Da haben wir alle Gänsehaut gekriegt, weil uns klar ist, was am Sonntag passieren kann», sagte Hofmann.
Party-Planungen laufen
Ganz Leverkusen bereitet sich auf eine denkwürdige Titelfete vor. Das Stadion ist restlos ausverkauft. Die Stadt hat eine Liste mit Kneipen veröffentlicht, die das Bremen-Spiel live übertragen.
Bayers Auftritte geben den Fans wenig Anlass zur Sorge, dass es an diesem Wochenende noch nichts werden könnte mit dem Titel. Leverkusen spielt unheimlich stabil. Das fußballerische Niveau ist dauerhaft hoch. Gegen West Ham bewies das Team zudem zum wiederholten Mal in dieser Saison Geduld und belohnte sich mit zwei späten Toren. Nichts scheint die Werkself aus dem Konzept zu bringen. «Das ist kein Glück», sagte Alonso zu den häufigen Treffern seiner Mannschaft in der Schlussphase. «Das hat Gründe und an diesen Gründen arbeiten wir.»
Meistermacher Alonso
Der Anteil des 42 Jahre alten Basken am bevorstehenden Meisterstück ist nicht hoch genug zu bewerten. Bei seiner ersten großen Trainerstation hat der frühere Weltklassefußballer aus hervorragenden Einzelspielern ein fast unbesiegbares Kollektiv geformt.
«Es gibt keine Egoisten, sondern wir kämpfen für die Mannschaft», sagte Xhaka, der Kopf des Teams auf dem Spielfeld. «Wir ackern, wir fighten, wir spielen, wir laufen, wir diskutieren auf und neben dem Platz. Das macht eine Top-Mannschaft aus.» Der 31-Jährige ergänzte: «Man gewinnt Spiele mit ein paar Spielern, aber als Mannschaft gewinnt man Titel.» Am Sonntag soll es so weit sein.
Von Thomas Eßer, Carsten Lappe und Christian Kunz, dpa